Mit etwas Glück erkämpft
Herzlich willkommen liebe Trainersöhne und -töchter, liebe Faszienrollenfanatiker*innen (als Faszie bezeichnet man eine flächige Hüllschicht aus kollagenem Bindegewebe), liebe Erima- und Uhlsport – Markenbotschafter*innen! Es ein normaler Sontag im Mai, sozusagen der Letzte. Wer sich nicht für Fußball interessiert, kann zu Hause bleiben, das Telefonbuch lesen oder auf der Couch sitzen und atmen. Wer das auch nicht mag, der kann dann die kleinen Pinöppel der Raufasertapete der Größe nach in einer Exceltabelle erfassen.
Back to life, back to reality! Heute steigt das Derby des Unterlandes. Noch einmal willkommen zum Spiel Heldburg gegen Gellershausen und das klingt wie Tyson gegen Foreman, Becker gegen Stich, Jan Ove Waldner gegen Stefan Rosskopf. Irgendwie freuen wir uns alle riesig auf diese Partie. Vielleicht finden wir im Verlaufe der kommenden 90 Minuten heraus, wieso.
Früher hieß es Chemie gegen Traktor. Als die Chemiker nach dem Spiel noch in ihrer Kultkneipe „Oberes Tor“ saßen und von alten Geschichten schwärmten. Als man nach dem Training den betrunkenen Platzwart an den Pfosten gebunden hat, um ihn dann mit Vollspannstößen zu bearbeiten. Kann man machen, muss man nicht. Der Platzwart hat es überlebt, das „Obere Tor“ übrigens nicht. (kurze Einladung zu einer Schweigeminute). Die etlichen vielen Fans diskutieren vor Beginn des Spiels, ob die Angriffe entsprechend der heutigen Wahlergebnisse über rechts und links vorgetragen werden. Im Sporttrakt wird noch vor dem Spiel durch ein Reisebüro ein Stand aufgebaut, damit der Verlierer direkt nach der Partie den Sommerurlaub buchen kann. Die Auswechselspieler beider Teams machen sich schon warm, die einen tanzen mit einem Lichtschwert durch die Kabine und die anderen machen Dehnübungen wie ein toxischer Pannenhelfer. Ein Ordner zieht sich seine leuchtende REWE-Weste über und wird dann prompt gefragt, wo denn die Dosentomaten stehen.
Kurz zur Ausgangslage: Hinspiel ging 2:2 aus. Gellershausen muss heute gewinnen, um ins Finale einzuziehen. Und auch Heldburg muss gewinnen, um ins Finale einzuziehen. Chancen circa 50/50. Es könnte aber auch andersrum sein. Wir sind gespannt. Rammstein wird heute die Derby Hymne spielen und hat die Technik (sonst zu laut) neben der Genuss – Oase auf dem Parkplatz unterhalb der Burg aufgebaut. In der Gästekabine wird grad laut gerechnet, wieviel Tore geschossen werden müssen, um das Wahlergebnis zur heutigen Heldburger Ortsteilbürgermeisterin zu kippen.
Das heutige Derby wird präsentiert von Heckler & Koch und an der elektronischen Bande läuft die Werbung vom hiesigen Baumarkt: „Unkraut vergeht nicht“
Dann ging es endlich los. Schiri Ettlinger, der Mann mit dem Fetisch für Derbys, gab das Startzeichen. Die Eintracht gab gleich Gas und Kick hatte schon nach Sekunden eine heiße Szene vor dem Gästetor, war aber noch gnädig. Dann ging es verkrampft hin und her, die Fans fingen an, sich die Augen zu reiben und skeptisch auf ihr Bier zu kucken. Beide Teams sind bemüht, aber es singt das grässliche Unterland – Duo „Ungenau und Durchschaubar“. Unter dem Motto, solange sie es nicht können, machen sie es gern. Gellershausen versuchte dann einige Nadelstiche, aber Swiff Taylor stopft jedes Loch. Jede Oma in Käßlitz wäre stolz. Mitte der ersten Halbzeit zog dann Ph. Schmidt ab und zertrümmerte fast den Arm von IV Staudigel, welcher zwischen Elfmeterpunkt und 16er Linie sein Unwesen trieb. Der Schiri pfiff und praktizierte eine umgekehrte Proportionalität. Je mehr er sich dem Tatort näherte, desto näher kam der Tatort. Das Ende vom Song war keine Elfmeter, sondern Freistoß von der Strafraumlinie, der nichts einbrachte. Auch Gellershausen hatte ein paar Torerzielungschancen. Aber sie schossen bis dahin mehr Fahrkarten als der Bibelkreis Billmuthhausen-Erlebach (26 Mitglieder) auf Pilgerreise (52 Tickets – Jesus fährt auch mit). Kurz vor der Halbzeit ein Heldburger kollektiver Sturmlauf und Hartung legte gefühlvoll den Ball aus 12 Metern ins Netz. Ach, der Denny. Es hätte das 2:0 sein können, wenn es schon 1:0 gestanden hätte. Er belohnte sein bisher gutes Spiel mit der Führung seines Teams. Der Schiedsrichter pfeift überpünktlich zur Halbzeit. Nicht einmal in Tunesien wird protestiert. Vielen Fans macht der Hunger zu schaffen. Sie gehen alle auf Nahrungssuche. Im Gastraum des sportlichen Heimes trafen sich die Experten zu einer kurzen Halbzeitanalyse. Bei großenm Kulm und Krombacher Schlucken, lauten Malboro – Husten und quietschenden Gelenken kam man dann an das Ende eines unvollständigen Satzes: Drei Punkte reichen!
Dann ging es wieder los und alle merkten, dass das Match anzog. Nach 10 Minuten segelte dann eine Ecke von „de Eggi“ in den Gästestrafraum, wurde abgewehrt und dann stand wieder „ER“ richtig, schrammte an die Kugel und strahlte das Ding als Mittelstreckenrakete in Richtung Glück. 2:0 und am Apothekerturm wurde ein Plakat runtergelassen: „Danny Hartung, hasta la victoria siempre! Einer von uns!“ Andere meinten, er hat heute bestimmt seine Fußballschuhe mit Regenwasser geputzt.
Die zwei Tore Führung war jetzt der Zündfunken für das Derby Feuer. Der Gellershäuser Fan Mob ölte dazu noch lautstark in die Glut. Die Gäste gaben sich noch nicht geschlagen und rissen das Spiel an sich. Eine halbe Stunde vor Schluss eine Doppelchance durch Podelleck und ein Doppelgroßtat vom Eintracht Keeper. Danach strecke der letzte Mann der Gellershäuser Verteidigung den durch gebrochenen Ph. Schmidt, wurde aber vom Schiri nur mit dem gelben Karton gestreichelt. Minuten später ein etwas fauliger Zweikampf im Strafraum der Gastgeber und es gab Elfmeter. Der Gästestürmer wäre wahrscheinlich mit Ball am Fuß auf die Burg gelaufen, aber niemals aufs Tor. Vielleicht beim nächsten Mal à Reisende sollte man nicht aufhalten…
Rottenbacher machte den Anschluss und jetzt ging noch einmal die Post ab. Fuchs drang mehrmals in den Strafraum ein, aber zu ungefährlich. Sehen die Förster im Unterland anders.
Heldburg hatte dann in die letzten Minuten die Schwimmflügel an, aber die Gäste schafften es nicht, das Wasser aus dem Becken zu lassen. Die Eintrachtler haben um ihren Sechzehner und im Mittelfeld mit letzter Kraft so viel Staub gesaugt, dass bei manchen Spielern nach dem Spiel das Flusensieb gewechselt werden musste. Kurz vor Schluss wollten die Gäste noch einen Elfmeter, aber wie das so ist: Wir hätten auch alle gern eine Klimaanlage, die uns mit eiskalten 200 Euro Scheinen auf die Körpertemperatur eines normalen Menschen kühlt.
Dann der Abpfiff und es war nur ein Spiel und es war nur ein Derby. Vielleicht wäre ein Unentschieden gerechter gewesen, aber die einen sagen so und die anderen sagen so. Es war keine Fußballerische Zaubershow, in welcher per Außenrist weiße Tiger verschwinden oder Assistentinnen zersägt werden. (Bei einigen bilden sich bestimmt nach dem Lesen dieser Zeilen auf ihren Synapsen ein wohliger Schauer. Kurz gesagt, so muss ein Fondue aus Gedanken schmecken). Aus den Boxen läuft der Rausschmeißer: It’s lonely out in space.
So Freunde des dünnes Fußball Humors, exen wir jetzt noch jeder einen Liter Tomatensaft und wer dann noch Lust hat, kauft sich im Diska eine Dose Bohnen und desinfiziert die Fensterscheiben des Sportheims.
Freude und Genugtuung und eine Grillparty in Blau Weiss (oder schwarz) – denn der Eintracht Fußball ist ein richtiges geiles Stück Fleisch.